Pilger kehren auf den Jakobsweg zurück

Pilgern auf dem Jakobsweg nimmt nach wieder zu.

Wieder mehr Pilger sind auf dem Jakobsweg unterwegs. | Foto: Michael Bönte

In schwierigen Zeiten hat der Jakobsweg eine Trendwende geschafft: Nach dem Corona-bedingten Einbruch kamen 2021 annähernd 180.000 Pilger nach Santiago de Compostela – viel mehr als erwartet. Hält der Trend?

Der Jakobsweg hat Wiederauferstehung gefeiert. Die 178.900 Pilger, die im Heiligen Jakobusjahr 2021 in Santiago de Compostela ihre Urkunde erhielten, waren mehr als dreimal so viele wie im ersten Corona-Jahr 2020 (54.143). Das ist in der erfolgsverwöhnten Pilgerbewegung zwar weit weg von Rekorden, aber ein klares Signal des Neuaufbruchs. Der sprunghafte Anstieg war zu Beginn nicht abzusehen: „Im Januar, Februar hatten wir das Pilgerjahr schon komplett abgeschrieben, nun sind wir erstaunlich zufrieden“, bilanziert Enrique Valentin, Vorsitzender einer Vereinigung aus 92 privat geführten Herbergen am Jakobsweg.

Die Zahlen für die ersten Monate 2021 waren tatsächlich katastrophal: 60 Ankünfte im Januar, 14 im Februar, 194 im März. Mit dem Start der eigentlichen Pilgersaison im Frühjahr ging die Kurve nach oben: 1.024 im April und 4.295 im Mai. Danach folgte eine regelrechte Explosion der Pilgerzahlen, die sich von Juni (14.824) und Juli (33.963) über August (43.575) bis in den September (37.463) zog.

Pilger hauptsächlich in Galicien unterwegs

Erstaunlich stark waren der Oktober (31.170) und November (9.094), was der Hoffnung vieler Herbergsbetreiber entsprach, die Pilgersaison möge sich verlängern. Die Zahl im November lag sogar leicht über jener (8.274) aus dem bisherigen Rekordjahr 2019, als es fast 350.000 Pilger nach Santiago de Compostela schafften. Der Dezember bildete einen versöhnlichen Abschluss; die täglichen Ankünfte bewegten sich im Rahmen zwischen 45 und 250.

Den Löwenanteil vom letztjährigen Pilgerkuchen bekam nach Einschätzung von Enrique Valentin die Jakobswegregion Galicien mit einer „Herbergsauslastung von etwa 70 Prozent“; dort verlaufen die finalen 160 Kilometer bis Santiago de Compostela. In anderen Regionen wie La Rioja, wo Valentin selber eine Herberge unterhält, seien es „40 bis 50 Prozent“ gewesen.

Italiener und US-Amerikaner kehren zurück

Die „größte Überraschung“ im vergangenen Pilgerjahr war für Valentin die Rückkehr von Italienern und US-Amerikanern. Deren Anteile am Gesamtaufkommen der Pilger lagen laut einer Pressemitteilung der galicischen Regierung bei etwa vier Prozent (Italiener) beziehungsweise drei Prozent (US-Amerikaner). Unter den Ausländern hatten die Portugiesen mit mehr als fünf Prozent die Nase vorn; drei Prozent entfielen auf Pilger aus Deutschland.

Wohin die Reise in diesem Jahr führen wird, das angesichts der Pandemie von Papst Franziskus ebenfalls zu einem Heiligen Jakobusjahr erklärt worden ist, kann niemand vorhersagen. Dazu ist die Virusmutante Omikron zu präsent und die in Spanien wiedereingeführte Maskenpflicht im Freien für viele zu abschreckend. Für eine „große Hürde in den Herbergen“ hält Enrique Valentin die Auflage zum Vorzeigen eines Covid-Passes, wie sie in den verschiedenen Regionen weitestgehend obligatorisch sei. Er hofft darauf, dass diese Maßnahme bald wieder verschwinde.

Zäher Start 2022 erwartet

Die aktuelle Verunsicherung in Pilgerkreisen ist groß. „Wir hatten vor dem Aufkommen von Omikron mit einer Normalisierung oder sogar einem Nachhol-Effekt gerechnet“, so Heino von Groote, der Vorsitzende des Freundeskreises der Jakobuspilger Paderborn. Jetzt heißt es erst einmal abwarten, aber von Groote ist sicher: „Das Bedürfnis ist da. Viele Menschen, auch viele Gruppen, haben Pläne, in diesem Jahr in Spanien zu pilgern.“ Im Vergleich zu normalen Zeiten laufe die Ausgabe von Pilgerpässen, die der Paderborner Freundeskreis vornimmt, „auf wesentlich niedrigerem Niveau“, so von Groote.

Diese Erfahrung hat auch Peter Eich gemacht, der Geschäftsführer der Jakobsweg-Zentrale, die über ihre Homepage ebenfalls Pilgerpässe anbietet. Nach der Einschätzung Eichs hat sich die Funktion der ausgegebenen Pilgerausweise verändert: „Die Menschen scheinen die Pässe nun wie ein Versprechen an sich selbst zu sehen, dass sie den Jakobsweg gehen werden, sobald es wieder leicht möglich sein wird.“ Eich plant seinen eigenen Aufbruch auf den Weg für die Zeit nach Ostern.

Im frisch angebrochenen Jahr auf neue Rekorde zu spekulieren, hält Enrique Valentin unterdessen für unangemessen. Er wäre schon zufrieden, wenn das jetzige Jahr unterm Strich besser würde als das vergangene. Allerdings befürchtet er, dass es erst einmal zäh anlaufen wird.


Text: Andreas Drouve (KNA), auf Kirche+Leben
Foto: Michael Bönte, Kirche+Leben